Rechtliche Fundamente in Zeiten von Deep Learning und systemischer Digitalisierung


Von 03.-06. April 2018 fand eine interdisziplinäre und internationale Fachtagung zum Thema „Rechtliche Fundamente in Zeiten von Deep Learning und systemischer Digitalisierung“ in der Villa Vigoni am Comer See statt. Von Seiten des Instituts für Rechtswissenschaften nahmen Univ.-Prof. Dr. Iris Eisenberger, M.Sc. (LSE), und Mag. Sophia San Nicolò daran teil. Mag. Lukas Wieser, Wiss. Mitarbeiter von Univ.-Prof. Dr. Konrad Lachmayer, SFU, hat dazu einen Kurzbericht verfasst.

Die fortschreitende Digitalisierung und der Einsatz von Big-Data-Technologien, KI Systemen und autonom agierenden Maschinen konfrontieren die Rechtswissenschaften zunehmend mit regulatorischen und rechtskonzeptionellen Problemen. Zur Entwicklung adäquater Lösungen bedarf es vermehrt interdisziplinärer Ansätze und fachfremder Expertise; der sprichwörtliche „Blick über den Tellerrand“ erweist sich für die Rechtswissenschaft als immer wichtiger.

Vor diesem Hintergrund fand von 03.-06. April 2018 eine von Univ.-Prof. Dr. Iris Eisenberger, M.Sc. (LSE) (Universität für Bodenkultur Wien), Univ.-Prof. Dr. Konrad Lachmayer (Sigmund Freud Privatuniversität Wien), Dr. Valerio Lubello (Università Bocconi), Univ.-Prof. Indra Spiecker gen. Döhmann, LL.M. (Goethe Universität Frankfurt am Main) und Univ.-Prof. Arianna Vedaschi (Università Bocconi) veranstaltete interdisziplinäre und internationale Fachtagung zum Thema „Rechtliche Fundamente in Zeiten von Deep Learning und systemischer Digitalisierung“ in der Villa Vigoni am Comer See (Italien) statt. Neben VertreterInnen der Rechtswissenschaften aus Belgien, Deutschland, Italien, Österreich und der Schweiz diskutierten Wissenschaftler der Architektur, Fahrzeugtechnik, Soziologie und Stadtplanung.

Den Auftakt des akademischen Programmes bildete ein Panel zum Thema „Deep Learning and Systemic Digitization – Legal and Technical Foundations”. Debattiert wurden Fragen der informationellen Selbstbestimmung, der regulatorischen Entschärfung des Gefahrenpotentials der Digitalisierung sowie der grundsätzlichen Rolle des digitalisierten Menschen. Konsens bestand dahingehend, dass es verstärkter öffentlicher Diskussion bedürfte und eine adäquate Regulierung informationstechnologischer Sachverhalte bislang teilweise unterblieben wäre. Darüber hinaus müsste auch die menschliche Partizipation ausreichend abgesichert werden, um einem Souveränitätsverlust zugunsten autonomer Entscheidungsmechanismen vorzubeugen.

Der Panel „Black-Box Decisions: Accountability and Responsibility“ behandelte unter anderem die Zurechnung von Handlungen an juristische Entitäten, die sich aufgrund autonom agierender Systeme zunehmend schwierig gestaltet. Insbesondere im Strafrecht ergeben sich grundlegende Fragen im Bereich der Handlungslehre und der Funktionsfähigkeit des Strafrechts. Als herausfordernd erweist sich auch die verfahrensrechtliche Sicherstellung von Daten, da Entscheidungen autonomer Systeme oftmals in einer dem menschlichen Zugriff entzogenen „Black Box“ erfolgen. Teilweise Abhilfe könnten hier rechtliche Vorgaben bezüglich der konkreten Ausgestaltung solcher Systeme schaffen.

Das wissenschaftliche Programm des ersten Tages endete mit einem Panel zu Fragen der künstlichen Intelligenz, das sich mit Regulierungsproblematiken von „deep learning“-trainierten Systemen sowie Aspekten des digitalen Profilings befasste. Zentral sei im Kontext selbstlernender Technologien einerseits die Qualität und Quantität jener Daten, die den Systemen zur Verfügung gestellt werden, und andererseits eine Begrenzung ihrer Einsatzfelder.

Der zweite Konferenztag widmete sich Aspekten der autonomen Mobilität. Neben Fragen der technischen Umsetzung und städteplanerischen Realisationsperspektiven standen die Verfügungsbefugnis bzw das Eigentum an Daten sowie die Zurechnung von Verantwortlichkeit im Rahmen des autonomen Fahrens im Fokus. Zur Lösung der spezifischen datenschutzrechtlichen Problemstellungen wären Modelle einer sektoralen Regulierung von Mobilitätsdaten erforderlich.

Das abschließende Panel am dritten Konferenztag erörterte die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Rechts sowie Möglichkeiten der Informationsregulierung. Der fragmentierte und kasuistische Rechtsbestand im Bereich des Daten- und Informationsrechts, der es erschwert, daten- und informationsrechtlich relevante Sachverhalte angemessen zu adressieren, erfordere die Kodifikation grundlegender Prinzipien dieses Rechtsgebietes.

Insgesamt zeigte sich, dass die durch die technologischen Entwicklungen an das Recht gestellten Herausforderungen nur durch einen grundlegenden Paradigmenwechsel zu bewältigen sein werden, wobei jenseits der Leistungsfähigkeit des Rechts neue technische Regulierungskonzepte vormals dem Recht zukommende Funktionen übernehmen müssen.

Mag. Lukas Wieser, Wissenschaftlicher Mitarbeiter von Univ.-Prof. Dr. Konrad Lachmayer


16.04.2018