Das Anlagerecht ist ein zentrales Element des Umweltrechts. Hauptaufgabe der Vollzugsorgane ist es dabei, einen optimalen Ausgleich zwischen unterschiedlichen Interessen zu schaffen. Allerdings ist das Anlagenrecht auf mehrere Gesetze zersplittert. Dadurch sind unterschiedliche Behörden mit ihm befasst. Der Gesetzgeber versucht dieser Situation mit zwei Novellen entgegenzuwirken. Die GewO und das UVP-G sollen effizienter werden. Das ÖWAV-Seminar „Anlagenrecht in der Praxis“ widmet sich diesen Themen und gibt seinen Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen ausführlichen Überblick.

Dr. Bernhard Mittermüller vom Institut für Rechtswissenschaften sprach am 30. März 2017 im Rahmen dieser Veranstaltung des Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverbands (ÖWAV) über „Verfahrenskonzentration – Der Weg zum effizienten Verfahren“.

Nach den begrüßenden Worten durch Prof. Dr. Daniel Ennöckl, LL.M. vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien und Mag. Martin Niederhuber, Rechtsanwalt in Wien, startete das Seminar. In drei Blöcken referierten Universitätsangehörige, Rechtsanwälte, Verwaltungsrichter und Verwaltungsbeamte zu praxisrelevanten Themen des Anlagenrechts.

Der erste Block behandelt die aktuellen Gesetzesnovellen. Drei Vorträge stellten die beiden geplanten Novellen zum UVP-G und der GewO vor. Mag. Michael Bogner vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) begann mit dem Vortrag „GewO-Novelle zur Deregulierung des Betriebsanlagenrechts?“. Er ging auf die wesentlichen Eckpunkte der Regierungsvorlage ein. Bogner sprach unter anderem über kürzere Entscheidungsfristen oder den Entfall des Anzeigeverfahrens und diverse kleine Einzelmaßnahmen, die das Anlagenverfahren nach der GewO effizienter machen sollen. Ennöckl setzte mit den wesentlichen Änderungen der UVP-G-Novelle fort. Mit ihr wurden die Kumulationsbestimmungen konkretisiert und einige Tatbestände im Anhang I angepasst. Darunter war auch die Erhöhung der Schwellenwerte für Großflughäfen von bisher fünf auf zehn neue Flugsteige. Als Ausblick stellte er eine weitere Novelle in Aussicht, mit der die UVP-Änderungsrichtlinie (2014/52/EU) umgesetzt werden soll. Einige Inhalte der Änderungsrichtlinie, wie die zwingende Genehmigungskonzentration in Bezug auf Natura 2000 Gebiete oder die Öffentlichkeitsbeteiligung wurden in Österreich bereits umgesetzt. Nachbesserungsbedarf besteht noch im Feststellungsverfahren.

Im zweiten Block ging es um den Reformbedarf im Verfahrensrecht. Mittermüller leitete das Panel mit dem Vortrag über „Verfahrenskonzentration – Der Weg zum effizienten Verfahren“ ein. Er begann seinen Vortrag mit den rechtlichen Grundlagen der Verfahrenskonzentration. Zur Veranschaulichung zeigte er anhand des UVP-G, des AWG und der GewO, wie Konzentrationsklauseln wirken und welche Materien sie jeweils umfassen.
Ebenso behandelte Mittermüller das Verhältnis der Klauseln zueinander. Dabei zeigte er, dass es innerhalb dieser eine Hierarchie gibt. Jene des UVP-G stellt die stärkste der Konzentrationsanordnungen dar, weil sie in ein vollkonzentrierten Genehmigungsverfahren mündet. Ihr folgt § 38 AWG. Die Bestimmung konzentriert zum Teil auch landesrechtliche Materien, wie das Naturschutz- oder das Baurecht. Die schwächste der dargestellten Verfahrenskonzentrationen ist jene der GewO. Das soll sich aber durch die geplante Novelle zur Gewerbeordnung 2017 ändern. Diese nimmt sich die Bestimmung des AWG zum Vorbild und soll - durch eine Verfassungsbestimmung - ebenso landesrechtliche Materien umfassen. Abschließend stellte Mittermüller die Neuerungen der Verfahrenskonzentration dar. Dabei griff er das Problem der Parteistellung auf, auf das Ennöckl bereits am Vormittag hingewiesen hatte und zeigte, wie bei einer gewerblichen Betriebsanlage durch die Kombination der Verfahrenskonzentration mit dem vereinfachten Verfahren ein baurechtlicher Nachbar seine Parteistellung verliert (siehe Ennöckl, GewO-Novelle 2017: Verfahrenskonzentration beseitigt Nachbarrechte http://www.rechtsblog.at/umweltrecht/author/danielennoeckl).

Die weiteren Vorträge in diesem Block hielten Dr. Peter Sander und Mag. Martin Niederhuber, beide Rechtsanwälte in Wien. Sander referierte über das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zur 3. Piste des Flughafen Wiens (BVwG 2.2.2017, W109 2000179-1/291E) und kritisierte, dass das Gericht die behördliche Ermessensentscheidung durch eine eigene ersetzte. Ebenso kritisch über diese Entscheidung äußerte sich Niederhuber in seinem Vortrag „10 Reformvorschläge für bessere Verfahren“. Dabei schlug er vor, die Kognitionsbefugnis von Verwaltungsgerichten über behördliche Ermessensentscheidungen einzuschränken. In der anschließenden Diskussion wurde die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte nochmals aufgegriffen. Prof. Ennöckl führte aus, dass Österreich die Verpflichtungen von Art 6 EMRK und Art 47 GRC mit der Einführung der Verwaltungsgerichte umgesetzt hat. Ein wesentlicher Punkt dieser Reform war die volle Kognitionsbefugnis der neu eingeführten Gerichte. Deshalb wäre eine Einschränkung aus europarechtlicher und verfassungsrechtlicher Sicht abzulehnen.

Im letzten Block des Seminars stellte Dr. Wolfgang Wessely vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die aktuelle anlagenrechtliche Judikatur der Höchst- und Verwaltungsgerichte vor. So hat der VwGH beispielsweise am 12. September 2016 entschieden, dass das BVwG in mittelbarer Bundesverwaltung nur ausnahmsweise bei der Entscheidung eines Bundesministers zuständig ist (VwGH 12.9.2016, Ro 2016/04/0014). Mit dem Vortrag von Mag. Eva Erlacher vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien schloss das Seminar. Das Thema ihres Vortrags waren mobile Anlagen, die es derzeit in der GewO nicht gibt. Durch die geplante Regierungsvorlage des § 74 Abs 1 GewO und den darin vorgeschlagenen Ersatz des Wortes „regelmäßig“ durch „nicht bloß vorübergehend“ ist die Einführung von mobilen Anlagen jedoch nicht zu erwarten.

Nach den interessanten Vorträgen und Diskussionen tauschten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Erfahrungen und neu gewonnene Erkenntnisse im informellen Rahmen aus. So ging der Seminartag bei einem gemütlichen Beisammensein zu Ende.

Nähere Informationen zum Seminar finden Sie hier.

Stefan Steininger, April 2017

Den Bericht als PDF finden sie hier.


29.05.2017