Prof. Dr. Dirk Hanschel von der Universität Halle-Wittenberg referierte am 27. Oktober 2016 an der BOKU. Mit einem fesselnden Vortrag über mögliche völkerrechtliche Antworten auf klimabedingte Migration startete er die Herbstausgabe unserer Vortragsreihe „LunchTimeSeries on Law, Technology and Society“ (LTS).

Klimaflucht entwickelt sich zu einem immer drängenderen Problem für die Staatengemeinschaft. Versalzte Böden, Ernteausfälle oder drohende Überflutungen von ganzen Landstrichen und Inseln wirken sich bereits jetzt massiv auf die Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen aus. Betroffene sind oft gezwungen zu fliehen. Verantwortlich dafür ist meist ein Bündel an Problemen, darunter auch mangelnde Infrastruktur oder mangelnde Arbeitsaussichten. Der Klimawandel erschwert derartige Ausgangssituationen zusätzlich. Der Klimawandel ist mittlerweile auch in den Gerichtssälen angekommen. Ein Urteil des neuseeländischen Supreme Court sorgte weltweit für Aufsehen: Ein Mann hatte seine Heimat, Kiribati, aufgrund des steigenden Meeresspiegels verlassen. In Neuseeland versuchte er, als erster Klimaflüchtling anerkannt zu werden. Das Gericht entschied, dass der Mann kein Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) sei. Er musste Neuseeland verlassen und in seine Heimat zurückkehren. Die GFK schützt Menschen, die aufgrund begründeter Furcht vor Verfolgung durch menschliches bzw. staatliches Verhalten fliehen. Ist es überhaupt treffend von "Klimaflucht" und "Klimaflüchtlingen" zu sprechen? Es lässt sich zwar argumentieren, dass der Klimawandel vom Menschen mitverursacht ist. Fraglich ist allerdings, wie ein schädigendes Verhalten einem konkreten Staat zurechenbar sein soll. Losgelöst von der Begrifflichkeit der GFK, erscheint die Bezeichnung "Klimaflüchtling" dennoch passend. Wenn Menschen ihre Heimat verlassen, um sich vor Bedrohungen in Sicherheit zu bringen, dann kann man dies, so Prof. Hanschel, nur als Flucht bezeichnen. Das Völkerrecht adressiert "Klimaflucht" derzeit nicht ausreichend. Mittel- und langfristig sieht Prof. Hanschel die Lösung in einer Kombination menschenrechtlicher und umweltvölkerrechtlicher Instrumente. So bieten etwa das Recht auf Leben, Nahrung, Wasser und Gesundheit einen individuellen menschenrechtlichen Schutzstandard. Zusätzlich wäre ein eigenes Klimafluchtprotokoll vonnöten, das Klimaflüchtlinge anerkennt, schützt und wiederansiedelt. Dafür müssten die Staaten finanzielle Mittel zur Verfügung stellen und grenzüberschreitende Hilfe leisten. Die völkerrechtlichen Regeln für dieses Regime könnten in den Verhandlungen zur UN-Klimarahmenkonvention ausgearbeitet werden. Die ZuhörerInnen fragten schließlich, ob die UN-Klimaverhandlungen der geeignete Ort für Klimaflucht-Diskussionen seien. Prof. Hanschel hält den Rahmen vor allem deshalb für passend, weil es sich um ein bereits etabliertes System regelmäßiger Treffen handelt. Der dort vorhandene politische Druck könnte auch leichter zu Ergebnissen führen. (Lisa Hartlieb/Lisa Müllner)


04.11.2016